Bombennacht

Die Nacht, in der unser altes Braunschweig starb

So gegen 2 Uhr in der Nacht des 14./15. Oktober 1944 heulten die Sirenen und die höchste Alarmstufe aus dem Radio für unsere Stadt machte uns Angst. Meine Mutter blieb mit Nachbarn immer in unserem Luftschutzkeller, aber ich hatte meinem Verlobten versprochen, nach Möglichkeit in den Bunker zu gehen. So eilte ich Richtung Okerstraße und traf unterwegs Frau Kalberlah. Wir blieben im dichten Gedrängel im Bunker zusammen und das war gut. Draußen wütete der Fliegerangriff und manche Bombe traf auch unsern Bunker. Er wackelte und erschütterte, aber er hielt. Natürlich ging das Licht aus, Geschrei und Panik brachen aus und beruhigten sich erst, als wir merkten: Wir sind noch einmal davongekommen …

Die ganze Altstadt soll ein Flammenmeer gewesen sein. Ein Feuersturm entwickelte sich. Frau Kalberlah und ich waren in großer Sorge um unsere Lieben auf der Goslarschen Straße und wir konnten nicht aus dem Bunker. Wie glühendes Schneegestöber tobte der Feuersturm draußen und bedeutete den sicheren Tod, wenn wir hinaus gekonnt hätten. Erst gegen Morgen wurde die Bunkertür geöffnet. Über Trümmer und entlang an brennenden Häusern erreichten wir Jakobi. Die Kirche stand und mein Elternhaus auch, aber meine liebe Mutter lag mit Rauchvergiftung. Sie hatte alle Brände im Haus gelöscht. Unser Gegenüber aber, das Pfarrhaus war wie viele Häuser der Nachbarschaft ein Raub der Flammen geworden.

St. Jakobi hatte Brandbombentreffer in die Sakristei bekommen. Sie waren gelöscht, aber die Glut flackerte immer wieder auf. Sie musste beobachtet werden. So hielt auch ich mit Feuerwache stundenlang vor der Sakristei, bis die Glut völlig aus war.

Am nächsten Tag erzählte meine Mutter, dass die Feuerwehr untätig vor dem brennenden Pfarrhaus gestanden hätte: "Sie hätten keinen Einsatzbefehl und dürften nicht löschen" - haben aber mit angesehen, wie meine Mutter sich mühte, noch Bücher aus dem Haus zu retten. Sie schleppte und schleppte, bis sie keine Luft mehr bekam …

Diese Nacht werden wir alten Braunschweiger nie vergessen, als unsere schöne Heimatstadt ihr Gesicht verlor.

Magdalene Krökel geb. Arens