Der barmherzige Samariter
Mit dem Jesusfenster, dem zentralen Fenster über Altar, Kanzel und Orgel möchte der Künstler dem Besucher unserer Kirche deutlich machen, dass alles was an Denken und Reden, an Beten und Singen in der Kirche geschieht von Jesus herkommt und auf ihn zuläuft … Jesus ist der Mittelpunkt … die Mitte der Schrift, wie Luther sagt … und die Mitte unseres Glaubens … An ihm gilt es all unser Glauben, unser Denken, unser Reden und Handeln zu messen!
Jesus die Mitte – Was heißt das? Was ist in der Mitte die Mitte, das Wichtigste? … Christen streiten gern darüber: Ist die Mission in die Mitte zu stellen … oder der Kampf gegen die bösen Mächte … oder die Liebe zum Nächsten? … In Wahrheit ist die Frage je nach Zeit und Situation unterschiedlich zu beantworten: In Zeiten großer Not ist die Liebe dran, in Zeiten der Bedrohung der Kampf gegen das Böse und in Zeiten des Unglaubens die Mission – wobei das alles in der Regel Hand in Hand geht, da ist tätige Hilfe zugleich auch Mission und Kampf!
So hat das, denke ich, auch der Künstler in unserer Kirche gesehen. In all den unterschiedlichen Möglichkeiten, Jesus in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen, gibt er mit seinem zweiten Fensterbild einen starken Hinweis darauf, was in Jakobi, in diesem Wohngebiet, das damals um die Jahrhundertwende überwiegend aus Arbeitern bestand, als allererstes dran ist: die tätige Nächstenliebe!
Wenn der Besucher des Gottesdienstes die Kirche wieder verlässt und zurück in seinen Alltag geht, dann fällt der Blick unweigerlich auf das große Fenster über dem Ausgang … Väterlich, tröstend, bergend beugt sich der obere Mann über den nackten, zerschundenen und ausgeraubten Mann am Boden … die Wunden sind schon verbunden … nun hebt er ihn auf seinen Esel, um ihn zur Herberge zu bringen, wo er versorgt und gepflegt werden soll …
Zerschundene, bis auf den letzten Pfennig ausgeraubte, von allem Stolz entblößte Menschen gab es auch damals zur Zeit, als unsere Kirche gebaut wurde … und es gibt sie heute noch immer! Unsere Gesellschaft ist nicht besser geworden, sondern immer nur härter! … Wer am Rande steht, hat keine Chance rein zu kommen … Schulkostenfonds sind da oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein … sicher ein Anfang, aber es bedarf eben immer auch der tätigen Liebe vieler, damit die, die keine Chance zum Leben haben, am Ende doch eine bekommen …
Auf die Frage: Wer ist denn mein Nächster? hat Jesus geantwortet: Der, dem du zum Nächsten geworden bist! … Mit seinem Bild für unser Leben im Alltag der Woche möchte der Künstler uns immer wieder fragen: Siehst du die Menschen in deiner Familie, deinem Haus, deiner Nachbarschaft, denen du zum Nächsten werden kannst? Siehst du all die, die deine Nähe, deine Liebe und deine Hilfe brauchen?
Viele von Ihnen fahren in den kommenden Wochen in den wohl verdienten Urlaub … Zeit zum Ausruhen und Entspannen ist das – Zeit aber auch, um mal wieder genau hinzuhören und hinzuschauen! … Ein offener Blick und ein offenes Herz für die Menschen gerade um uns herum, für ihre Sorgen, ihre Nöte, ihre Fragen – das tut Not! … Wenn nicht im Urlaub, wann dann ist Zeit dafür?
In dem Sinne wünsche ich Ihnen intensive Urlaubswochen … Wochen, in denen Jesu Liebe für Sie spürbar wird!