Pilgerweg

St. Jakobi liegt am Jakobusweg

Pilgern ist in. Immer mehr Menschen gehen kleine oder große Pilgerwege – und das nicht nur im Norden von Spanien auf dem berühmten Jakobsweg, son­dern überall und auch hier bei uns. In der ersten Oktoberhälfte wird wieder eine Pilgertour auf dem Jakobsweg durch Braunschweig von Riddagshausen nach Alt-Lehndorf an unserer St. Jakobikirche vorbei führen. Die theologische Akademie begleitet diese und andere Pilgertouren in unserer Region. Geplant ist ein beschilderter Pilgerweg, ein Jakobsweg von Magdeburg bis nach Hildes­heim, den man in einzelnen Tagesetappen oder auch als Mehrtagestour gehen kann. Die Kirchen am Weg sind dabei Orte der Einkehr, der Ruhe, der Besin­nung, vielleicht auch der Gastlichkeit und der Erholung.

Früher sind die Menschen fast ausschließlich aus religiösen Motiven gepilgert. Sie wollten Buße tun oder Gott um Heilung und Rettung bitten. Heute sind die Men­schen, die auf einem Pilgerweg unterwegs sind, zu achtzig Prozent zunächst nicht aus religiösen Moti­ven unterwegs. Für diese ist die Zeit des Pilgerns in der Regel eine Auszeit, um Bilanz im Leben zu ziehen, um beim Übergang in eine neue Lebenssituation das davor vom danach abzugrenzen, um in oder nach einer Krise die Dinge für sich zu ordnen, um eine Entscheidung zu tref­fen, um zu sich selbst zu finden. Dabei ist das gar nicht so unterschiedlich, denn damals wie heute ist das Entscheidende beim Pilgern das Unterwegssein. Pilgernde sind Suchende – Suchende auf der Suche nach sich selbst, nach Heil, nach Ganzheit im Leben.

Anselm Grün sagt über das Pilgern: Pilgern heißt, den Weg der Sehnsucht zu gehen. Diese Sehnsucht zeigt mir, dass in mir etwas ist, das diese Welt über­steigt. Im Pilgern komme ich in Berührung mit meiner Sehnsucht. Sie ist die Spur, die Gott in mein Herz gegraben hat. Um sie zu fühlen, folge ich den Fähr­ten, die andere Pilger in diese Welt eingegraben haben.

Die Sehnsucht, die Pilgernde auf die Suche schickt, die Sehnsucht nach Klä­rung, nach Heilsein, nach Einklang, nach guten Wegen im Leben ist das Ver­bindende durch alle Zeiten hindurch … und schnell kann dabei auch heute ein Pilgernder mit Gott in Berührung kommen. In ihm kann unsere Sehnsucht Antworten finden oder auch zur Ruhe kommen. Die Zeit der Stille auf dem Weg, Bilder in Kirchen am Wegesrand, Gespräche mit anderen, die mit mir auf dem Weg sind – all das kann mich dafür öffnen, dass es über mein Leben hinaus noch etwas gibt, das so viel größer und schöner ist und das mich doch liebt und so akzeptiert, wie ich bin, so dass darunter all das, was auf mir lastet, vielleicht gar nicht mehr so groß und schwer ist.

Eines der Bilder auf dem Pilgerweg durch Braunschweig ist der Wandteppich in der Brauthalle unserer St. Jakobikirche, die eine Jakobusgestalt zeigt. Ge­zeigt wird Jakobus hier als typischer Pilger mit Wanderstab, Umhang, Reise­tasche und Hut. Wenn ich auf eine Pilgerreise gehe, muss ich mich also ent­sprechend vorbereiten, denn ich weiß, dass vor mir ein langer Weg liegt, der nicht ohne Regen und Sturm oder auch glühende Hitze sein wird.

Pilgern ist somit immer auch ein Wagnis. Werde ich den Weg schaffen? Werde ich es mit mir selber, mit meinen Fragen, meinen Gedanken aushalten? Und wo wird mich der äußere wie auch der innere Weg hinführen? Das alles sind Fragen, die einen vom Pilgern abhalten können … Doch damit gebe ich dann auch der Sehnsucht in mir keinen Raum mehr. Ich versage mir die Möglichkeit, dass meine Sehnsucht möglicherweise gestillt wird.

Jetzt im Sommer werden sich viele von Ihnen auf den Weg in den Urlaub be­geben. Urlaub ist immer eine Auszeit vom Alltag. Schnell kann es da passie­ren, dass auch ein ganz normaler Urlaub zu einer Pilgerreise wird – dann, wenn ich in den Bergen lange Spaziergänge mache oder wenn ich am Strand einfach die Seele baumeln lasse oder wenn ich am Urlaubsort die Kirche besuche, da kann es passieren, dass ich plötzlich in mir Fragen entdecke, die sonst vergra­ben sind und dass ich mich dann auf die Suche nach Antworten mache.

Ob ich die Antwort finde, wer weiß … Wichtig aber ist, dass ich immer ein Suchender bleibe, einer der nicht fertig ist mit seinem Leben, einer der noch etwas will, noch etwas vom Leben erwartet – ein Pilger also auf dem Weg durch sein Leben. Dass wir solche Pilger sein mögen, das wünsche ich mir.