Zur Bedeutung der Glocken und ihres Geläuts
Warum läuten die Glocken?






Wann und warum läuten die Glocken der St. Jakobikirche eigentlich? Und was hat dieses Geläut überhaupt zu bedeuten? – so werde ich immer wieder mal gefragt. Aus diesen Fragen höre ich zum Teil echtes Interesse, zum Teil aber auch Kritik an diesem „Krach“ heraus …
Die Glocken und ihr Geläut sind Teil des liturgischen Lebens der Kirchengemeinde. Sie rufen zu Gebet und Gottesdienst und sie strukturieren den Tag und die Woche, wobei jedes Läuten, jedes Anschlagen eine bestimmte Bedeutung hat. Aber auch die Glocken selber sind schon Verkündigung: Während die ersten Glocken von 1911, die im 1.Weltkrieg zu Kriegszwecken hergegeben werden mussten, mit Namen der Reformatoren (Luther, Bugenhagen) benannt wurden und so mit ihrem Geläut das reformatorische Leben ins Bewusstsein riefen, bekamen ihre Nachfolger von 1922 die Namen Liebe (große Glocke), Freude (mittlere Glocke) und Friede (kleine Glocke). Diese Namen nehmen Bezug auf ein Wort aus der Bibel. Im Galaterbrief (Kapitel 5,22) sagt Paulus: Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede. Ich verstehe diese Wahl der Namen als eine Antwort auf die Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg: Die Frucht des Geistes und des Glaubens ist eben nicht, wie dort so oft erfahren, Hass, Gewalt und Krieg, sondern vielmehr Liebe, Freude und Friede – und dies sowohl als eine Erfahrung, die man im Glauben machen kann, wie auch als Auftrag, so im Geist zu leben und zu handeln.
Liebe, Freude, Friede – hierzu rufen uns die Glocken, wenn sie jeden Tag um 12 und um 18 Uhr fünf Minuten mit der großen Glocke, bzw. am Samstag um 18 Uhr zehn Minuten mit vollem Geläut (Einläuten des Sonntags, also der Zeit, wo alle Arbeit ruht und wir uns auf Gott besinnen) zum Gebet rufen. Dreimal am Tag – morgens vor Beginn der Arbeit (hier verzichtet unsere Gemeinde auf das Geläut), mittags zum Essen und abends nach getaner Arbeit – sollen wir zum Gebet innehalten und Gott danken für alle Liebe, alle Freude, allen Frieden, den wir erfahren durften und zugleich sollen wir Gott darum bitten, dass wir unseren Teil dazu beitragen, dass Liebe, Freude und Friede in unserem Leben und in unserer Gemeinschaft eine Chance haben, Wirklichkeit zu werden.
Vor jedem Gebetsläuten um 12 und um 18 Uhr und zusätzlich um 7 Uhr hören Sie, dass die große Glocke neunmal angeschlagen wird. Dieser sogenannte 3x3-Schlag ruft uns zum Vaterunser, dem christlichen Grundgebet, das uns von Jesus selber gegeben wurde, wobei sich die Sätze entsprechend den Bitten wie folgt auf die 3 mal 3 Schläge aufteilen: (1) Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. (2) Dein Reich komme. (3) Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. (1) Unser tägliches Brot gib uns heute. (2) Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. (3) Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. (1) Denn dein ist das Reich (2) und die Kraft (3) und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. – Das Vaterunser umfasst all unser Beten, bringt es auf den Punkt und kann auch allein gebetet werden, wenn uns selber die Worte fehlen.
Zwischen 7 Uhr und 22 Uhr wird jede Viertelstunde und jede volle Stunde angeschlagen. Mit ihrem Schlagen rufen uns die Glocken so das Vergehen der Zeit und die Vergänglichkeit unseres Lebens ins Bewusstsein. Sie erfüllen für mich dabei das, was der 90. Psalm von Gott erbittet: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden … Wann wir sterben müssen, wissen wir nicht. Wir haben es auch nicht selber in der Hand. Aber was wir mit unserer Zeit machen, wie wir sie nutzen, dass liegt schon in unserer Hand. Dass wir sie gut nutzen, daran wollen uns die Glocken zusammen mit der Turmuhr erinnern.
In jedem Läuten und Schlagen der Glocken steckt somit jeweils eine tiefere Bedeutung. Darüber hinaus laden die Glocken ein zu den Gottesdiensten, die ja das Zentrum und der Höhepunkt des Sonntags sein sollen. Vor jedem Gottesdienst beginnt das erste Geläut eine halbe Stunde vorher. Es folgt ein zweites und ein drittes Läuten mit jeweils einer Glocke mehr. Die Einladung zum Gottesdienst wird somit zunehmend drängender: Mach dich auf den Weg zu Gott! Komm herbei in die christliche Gemeinschaft! Und alle, die nicht kommen können, dürfen wissen: In dieser Stunde kommen andere im Gottesdienst zusammen, um Gottes Wort zu hören und auch in meinem Namen Gott für alles Gute zu danken und fürbittend der Not in der Welt zu gedenken. Innerhalb des Gottesdienstes wird beim Vaterunser die Glocke angeschlagen. So können alle, die selber nicht dabei sein können, ins Vaterunser mit einstimmen.
Die Glocken möchten, dass wir Gott Raum in unserem Leben geben, und das nicht nur am Sonntag, sondern unser ganzes Leben lang. Darum gehört ihr Geläut auch zu den Wendepunkten im Leben: zur Taufe und zur Trauung, denn dort stellen Menschen ihr Leben unter den Segen Gottes. Was bei uns fehlt, ist das Läuten beim Sterben und der Beerdigung. Dieses Läuten begleitet uns jedoch auf dem Hauptfriedhof und erinnert uns daran, dass unser Leben auch im Tod in Gott geborgen bleibt.
C. Hellmers